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Wenn man in die Kommentarspalten von beliebten Social-Media-Plattformen wie TikTok, Instagram oder YouTube schaut, fällt schnell auf, dass sich hier oft vor allem negative Kommentare finden lassen. Nutzer*innen regen sich auf, kritisieren oder machen sich über Personen und Inhalt lustig. Es scheint teilweise so, als würden sich viele Nutzer*innen dazu berufen fühlen, ihre Meinung zum gezeigten Inhalt zu veröffentlichen. Solch starke Reaktionen auf Social-Media-Content wie Reels oder TikToks sind nicht immer Zufall, sondern teilweise von den Creator*innen geplant. Man spricht hier von Rage Farming oder auch Rage Baiting. Besonders Jugendlichen kann es dabei schwerfallen zu erkennen, ob Inhalte nur zum Zwecke des Rage Farmings veröffentlicht wurden.

Wie funktioniert Rage Farming?

Studien belegen, dass Inhalte, die Emotionen anregen, eher zur Interaktion führen, als jene, in denen Informartionen neutral dargestellt sind. Einige Creator*innen machen sich dies zu Nutze, indem sie absichtlich dafür sorgen, dass sich Nutzer*innen über ihre Videos aufregen. Denn wenn Creator*innen möchten, dass ihre Videos viral gehen, sind sie meist von den Algorithmen der jeweiligen Plattform abhängig. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Video viral geht, erhöht sich dabei enorm, wenn ein Video viele Kommentare erhält. Der Algorithmus berücksichtigt hier allerdings nicht, ob Kommentare positiv oder negativ sind, sondern stuft ein häufig kommentiertes Video als besonders beliebt ein und spielt dieses dementsprechend häufig aus.

Aber auch die Wahrnehmung der Videos selbst wird durch Algorithmen beeinflusst: Im Feed bekommen Nutzer*innen Videos weitestgehend ohne Kontext angezeigt. Sie wissen also oft nicht, wer hinter dem Video steckt und welche Art von Videos der*die Creator*in sonst produziert. Es ist daher auf den ersten Blick schwer zu erkennen, ob der*die Creator*in das Video ernst meint und es sich tatsächlich um seine*ihre eigene Meinung handelt oder ob versucht wird, mit Rage Farming Klicks zu erhalten.

Wie kann Rage Farming aussehen?

Auf Social Media sind viele verschiedene Formen des Rage Farmings zu finden. Diese können harmlose Formen annehmen wie Kochvideos, bei dem der Name einer Zutat mit Absicht falsch ausgesprochen wird oder das Endergebnis eher unappetitlich wirkt. Auch viele sogenannter „5-Minuten-Craft“-Videos kursieren auf Sozialen Medien, bei denen Nutzer*innen dazu gebracht werden, sich über scheinbar misslungene Ergebnisse lustig zu machen.  Häufig finden sich zudem Videos, auf denen Personen ihre Partner*innen angeblich auf frischer Tat beim Fremdgehen erwischen oder Elternteile fragwürdige Aussagen über ihre Erziehung treffen. Diese wollen meist lediglich dazu anregen, dass Nutzer*innen ihren Ärger in der Kommetarspalte ablassen. Wirft man dann einen Blick auf den entsprechenden Kanal, erkennt man schnell, dass die gezeigten Aussagen und Personenkonstellationen nicht der Wahrheit entsprechen.

Rage Farming kann aber auch von politischen Akteur*innen betrieben werden, beispielsweise mit der Absicht zu polarisieren und damit Reichweite zu erlangen. Oft werden in diesem Zusammenhang auch Falschaussagen und diskriminierende Aussagen getätigt. Ein Beispiel hierfür ist die sogenannte „Super Straight Bewegung“, bei der Anhänger sich selbst als „super straight“ bezeichnen, wodurch sie sich laut der eigenen Definition ausschließlich zu Cis-Frauen hingezogen fühlen. Werden sie von Nutzer*innen für transphobe Aussagen kiritisiert, nutzen sie das Scheinargument, dass man sie dadurch in ihrer Sexualität diskriminiere. Durch ihr Auftreten auf Sozialen Medien sollen vor allem Unterstützer*innen der LGBTQI+-Community verärgert und zur Interaktion gebracht werden.

Tipps und Hinweise

Um nicht auf Rage Farming hereinzufallen, ist es notwendig, Inhalte als solche zu erkennen. Eltern und Pädagogische Fachkräfte sollten Jugendliche deshalb darin bestärken, Aussagen und gezeigte Szenarien kritisch zu hinterfragen. Folgende Fragestellungen können dabei helfen, zu erkennen, ob gesehene Inhalte gestellt sind:

  • Sind gefilmte Personen kamerablind (werden sie aus der Nähe gefilmt ohne direkt in die Kamera zu schauen)?
  • Ist es wirklich glaubhaft, dass eine Person in solchem Moment gefilmt hat?
  • Würde eine Person wirklich ein solch intimes Video hochladen, wenn dies echt wäre?

Besonders sinnvoll ist es auch, sich das entsprechende Profil anzuschauen. Sind gezeigte Situationen oder Personenkonstellationen widersprüchlich zum Content anderer Videos? Werden von diesem Kanal häufig Videos mit polarisierenden Aussagen auf die Plattform geladen?
Auch Selbstreflexion ist ein wichtiger Skill im Umgang mit Rage Farming Videos. Jugendliche sollten darin geschult werden, sich mit den eigenen Emotionen auseinander zusetzten. Wenn er*sie ein provozierden Video sieht, gilt es erst einmal inne zu halten und zu überlegen, ob ein kritischer Kommentar wirklich konstruktiv ist oder nur dazu dient, dem Ärger Luft zu machen und dem provozierenden Account unnötig Reichweite zu verschaffen. Je nach Inhalt und Situation kann es allerdings auch wichtig sein, auf Falschinformationen hinzuweisen oder Minderheiten zu schützen.

Erstellt am 21.03.2024