Soziale Experimente auf TikTok und Co.
Auf Social Media-Plattformen wie TikTok oder Instagram finden sich zahlreiche Videos, die als sogenannte „soziale Experimente“ betitelt werden. Besonders junge Creator*innen, die oft auch ein junges Publikum ansprechen, teilen diese Inhalte. Einige der Videos können zum Nachdenken anregen oder sogar ein Lächeln hervorrufen. Doch auch wenn viele der Videos als unproblematisch einzuordnen sind, gibt es einige Fälle, bei denen die Ersteller*innen fragwürdige Methoden verwenden, um Klicks zu generieren. Dabei schlüpfen sie in die Rolle von Personen, die einer Minderheit angehören oder nutzen stark emotionalisierende und polarisierende Inhalte.
Was sind Inhalte der Sozialen Experimente?
Ziel der sogenannten sozialen Experimente ist es meist, zu beobachten, ob fremde Menschen im öffentlichen Raum – beispielsweise auf der Straße oder in der Straßenbahn – in eine Situation eingreifen und ihre Hilfe anbieten. Die Sozialen Experimente können dabei im Grad ihrer Authentizität variieren: Bei einigen der „Experimente“ sind alle gezeigten Personen eingeweiht und das Ganze ist nur eine nachgestellte Szene. Bei anderen Videos wird die echte Reaktion von außenstehenden Menschen gezeigt. Der oder die Creator*in tritt meist als Lockvogel auf und schlüpft nicht selten in die Rolle einer Person, die einer vulnerablen Gruppe angehört. Zu finden sind beispielsweise Videos, in denen Creator*innen sich als blind ausgeben und sich in eine gefährliche Situation begeben, um zu prüfen, ob ihnen jemand zur Hilfe eilt. In anderen Videos wird eine Frau vermeintlich belästigt und dabei gefilmt. Hier soll geprüft werden, ob eine der umstehenden Personen einschreitet. Auch Videos, in den Creator*innen versuchen ohne Geld zu leben mit Titeln wie „Ich lebe eine Woche als Wohnungsloser“ sorgen auf Social Media für Aufsehen.
Soziale Experimente auf Social Media
Die Idee, zufällig ausgewählte Menschen auf ihre „Menschlichkeit“ zu testen ist keineswegs neu. Bereits vor Aufkommen von Social Media, beispielsweise in Fernsehshows, wurden gewisse Situationen gestellt, um die Reaktion vorbeilaufender Passant*innen zu beobachten. Es liegt daher nahe, dass das Format auch auf videobasierten Plattformen wie YouTube, Instagram oder TikTok seinen Platz gefunden hat. Besonders in den Kurzvideo-Formaten wird allerdings kaum Kontext für das gezeigte „Experiment“ geliefert. Für die Zuschauer*innen ist es deshalb teilweise kaum ersichtlich, ob es sich um reale oder inszenierte Situationen handelt, bei dem teilweise auch die „sozial-agierende“ Person in den Dreh eingeweiht ist. Auch beim Blick in die Kommentarspalte zeigt sich oft, dass viele der Nutzer*innen nachgestellte Szenen nicht von echten Situationen unterscheiden können. Dies wird zusätzlich dadurch erschwert, dass die Inhalte meist durch Algorithmen in die Feeds gespült werden, ohne dass die User*innen die Creator*innen kennen oder den Ursprung des Videos nachvollziehen können. Ein weiterer Punkt, der spezifisch auf Soziale Experimente auf Sozialen Medien zutrifft, ist das dort vorherrschende Streben nach Reichweite. Um möglichst viele Interaktionen zu erzeugen, sind die Inhalte oft stark emotionalisiert gestaltet. Dies zeigt sich unter anderem durch den Einsatz von trauriger Musik oder bewusst dramatisch gestalteten Szenen. Teilweise sollen Inhalte auch polarisierend sein und gewisse Personen werden absichtlich in schlechtes Licht gerückt. So gibt es beispielsweise einen Creator, in dessen Videos auffallend oft weiblich gelesene Personen als „unmenschlich“ inszeniert werden. Diese Art von Videos kann zum Beispiel auf Rage Farming, einer bewussten Provokation für Aufmerksamkeit, abzielen.
Tipps und Hinweise
Soziale Experimente können Menschlichkeit zeigen und zu Zivilcourage ermutigen, jedoch sollten Kinder und Jugendliche darin bestärkt werden, die Videos kritisch zu hinterfragen. Viele Szenen sind vollständig inszeniert und dienen oft nur dazu, durch Emotionalisierung eine größere Reichweite zu erzielen. Eltern könnten die Videos zudem zum Anlass nehmen, über gewisse Privilegien zu sprechen und verdeutlichen, dass es eben nicht für alle so leicht ist, sich aus bestimmten Lebenslagen zu befreien, wie es in einigen Videos suggeriert wird.