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Auf TikTok, Instagram und anderen Plattformen ist in den vergangenen Jahren ein deutlicher Aufschwung spiritueller Inhalte zu beobachten. Astrologie, Energien und Manifestationen tauchen in unzähligen Videos auf und werden höchstwahrscheinlich bald zum Jahresende den Feed vieler junger Nutzer*innen prägen. 

Dieser Artikel nimmt daher in den Blick, was Jugendliche an moderner Spiritualität so fasziniert und welche Herausforderungen dabei nicht übersehen werden sollten. 

Trends rund um Spiritualität 

Die Bandbreite an Inhalten ist groß: Von Horoskopen über Kräuterkunde bis hin zu Kristallen als Bestandteil der eigenen Hautpflegeroutine. Auch das „Manifestieren“, also der Vorstellung, allein der feste Glaube könne Wünsche Wirklichkeit werden lassen, nimmt eine wichtige Bedeutung ein und wird durch den Trend Lucky Girl Syndrome aufgegriffen. Für viele junge Nutzer*innen bietet Spiritualität einfache Erklärungen für komplexe Lebenssituationen. Influencer*innen teilen dabei Rituale, Tipps und spirituelle „Life-Hacks“ mit ihren Follower*innen. Ob Creator*innen von ihren Inhalten selbst überzeugt sind oder sie eher der Unterhaltung dienen sollen, ist nicht immer eindeutig. Dennoch erreichen sie viele junge Nutzer*innen. 

Spirituelle Communities 

Früher folgten spirituelle Gemeinschaften meist einer einzelnen, zentralen Führungsperson. Heute, im digitalen Raum, bilden sich lose Communities rund um Influencer*innen, spirituellen Praktiken und gemeinsamen Ritualen. Diese Gruppen können Jugendlichen durchaus Halt geben: Meditation, Achtsamkeitsübungen oder Rituale werden kollektiv geteilt und schaffen Gemeinschaftsgefühl, ähnlich wie es auch in traditionellen religiösen Gruppen der Fall ist.  

Hexen auf Social Media 

Eine besonders sichtbare Szene ist „WitchTok“ oder auch „Witchfluencing“. Die Figur der Hexe wird häufig als Symbol feministischer Selbstermächtigung verstanden und soll somit gegen patriarchale Strukturen einstehen. Menschen, die sich selbst als Hexen verstehen, zeigen unter dem Hashtag #witchtok Rituale, die das eigene Glück beeinflussen und die Zukunft lenken sollen.

Besonders beliebte Praktiken der modernen Hexen sind Tarot Karten, Zaubergläser, Mondwasser oder das sogenannte Cord-Cutting-Ritual. Viele dieser Praktiken sind harmlos und Teil kreativer Selbstverwirklichung. Andere werden kommerzialisiert, etwa durch magische Sets oder Hexen-Accessoires in Online-Shops. 

Warum Spiritualität für Jugendliche attraktiv ist 

Traditionelle religiöse Institutionen wie das Christentum wirken für viele junge Menschen nicht mehr zeitgemäß oder verlieren durch überholte Einstellungen zu Geschlechterrollen und LGBTQIA+ immer mehr an Zustimmung bei jungen Menschen. Gleichzeitig ist die heutige Welt geprägt von Unsicherheiten, Krisen und komplexen Herausforderungen, die schwer zu greifen sind. Spirituelle Inhalte bieten in diesem Umfeld Orientierung, Hoffnung und das Gefühl, das eigene Leben durch Rituale und Bedeutungszuschreibungen strukturieren zu können. 

Problematische Aspekte 

Problematisch kann es werden, wenn Jugendliche beginnen, Entscheidungen ausschließlich auf Astrologie, Karten oder Rituale zu stützen oder wenn sie glauben, reale Probleme durch symbolische Handlungen lösen zu können. Auch teure Coachings und Produkte, die magische Effekte versprechen, können problematisch sein, wenn sie Unsicherheiten bestärken anstatt unterstützend wirken oder Jugendliche derartige Angebote als die einzige Lösung wahrnehmen und andere Lösungswege vermeiden. Auch eine finanzielle Belastung kann dadurch entstehen. 

Besonders kritisch ist die Vermischung von Spiritualität und verschwörungsideologischen Narrativen, die in der politischen Bildung als „Conspirituality“ bezeichnet wird. Sie kann Misstrauen gegenüber Wissenschaft und gesellschaftlichen Institutionen fördern und in extremen Fällen in radikale Ideologien überleiten. Durch den Algorithmus auf Social Media Plattformen kann es somit vorkommen, dass spiritualitätsinteressierte Jugendliche plötzlich mit populistischen Inhalten in Berührung kommen. Einige spirituelle Inhalte zementieren zudem klassische Geschlechterrollen, indem sie von “weiblicher” und “männlicher” Energie sprechen. 

Tipps und Hinweise

Für Eltern und pädagogische Fachkräfte ist es wichtig, spirituelle Inhalte ohne Abwertung zu betrachten. Viele Jugendliche suchen auf Social Media Orientierung oder Möglichkeiten, Stress zu verarbeiten und sich mit ihrer Intuition oder der Natur zu verbinden. Sie befinden sich in einer Phase der Identitätsentwicklung, in der Ausprobieren ein natürlicher und wichtiger Teil des Lernens ist. Gleichzeitig sollten Erwachsene Jugendliche dabei unterstützen, Inhalte kritisch zu hinterfragen: Wer verdient an und profitiert von diesem Trend? Welche Versprechen wirken zu einfach, um realistisch zu sein? Außerdem kann es hilfreich sein, gemeinsam alternative Wege zur Problemlösung oder Stressbewältigung aufzuzeigen und über Konsum und Ausgaben für fragwürdige Angebote zu sprechen.