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Der sogenannte „Tradwife-Trend“ gewinnt auf Social Media immer mehr an Beliebtheit. Dabei zeigen sich zunehmend junge Frauen in maßgeblich traditionellen Rollenbildern. Was auf den ersten Blick harmlos erscheint, birgt bei näherer Betrachtung jedoch einige denkwürdige Aspekte.

Besonders jugendliche Nutzer*innen sind noch dabei, ihre Werte und Vorstellungen zu formen. Zudem fällt es ihnen oftmals schwer, inszenierten Content als solchen zu erkennen. Derartige Trends auf Sozialen Medien können bei ihnen deshalb besonders leicht zu verzerrten Vorstellungen über Beziehungs- und Familienleben führen.

Was macht den Tradwife-Trend aus?

Der Trend, der ursprünglich aus den USA stammt, zeigt die Selbstinszenierung von Influencerinnen als traditionelle Hausfrauen. Die Bezeichnung „Tradwife“ stammt dabei aus dem Englischen und ist eine Kurzform von „traditional wife“ (traditionelle Hausfrau). Von vielen der Influencerinnen wird Begriff „Tradwife“ deshalb auch als Selbstbezeichnung genutzt. Die Tradwives führen (in der Regel heterosexuelle) Partnerschaften und definieren sich darin sehr stark über die Rolle der traditionellen Hausfrau: Statt einer klassischen Erwerbstätigkeit nachzugehen, kümmern sie sich um Haushalt und Kindererziehung. Es gibt jedoch auch Kanäle, bei denen Kinder keine Rolle spielen. Ziel dabei ist es meist, den Ehemann oder Partner zufrieden zu stellen. In den Videos werden alltägliche Aufgaben des Haushalts soweit romantisiert, sodass sie scheinbar mühelos erscheinen. So werden zum Beispiel aufwendige Gerichte zubereitet und so zusammengeschnitten, dass eine Zubereitung von mehreren Stunden wie eine kleine, leichte Aufgabe präsentiert wird. Dass das Führen von Haushalt und Kindererziehung auch anstrengend und kräfteraubend sein kann, wird in den Videos meist verschwiegen.

Eine zentrale Rolle beim Tradwife-Trend spielt die Fixierung auf angeblich geschlechtertypische Merkmale und Fähigkeiten. Häufig zu finden sind hier Auflistungen der Eigenschaften, welche laut den Erstellerinnen eine „echte“ Frau oder einen „echten“ Mann ausmachen sollen. Der Mann soll dabei die Führungsrolle der Familie übernehmen und die Frau sollte sich ihm unterordnen. Männern werden zudem häufig die Fähigkeiten abgesprochen, sich um Kinder oder den Haushalt kümmern zu können. Denn laut den Tradwives sind dies Fähigkeiten, die lediglich in der Natur einer Frau liegen. Eine Partnerschaft könne daher nur dann funktionieren, wenn beide Partner*innen diesen, ihnen zugeschriebenen, Rollen nachgehen.

Politische Botschaften hinter der Tradwife-Fassade

Hinter den scheinbar harmlosen Videos verbergen sich jedoch oft politische Botschaften. Diese sind nicht immer offensichtlich, sondern fließen oft subtil in die Inhalte ein. Die einseitige Darstellung von weiblicher Identität kann dazu führen, dass Frauen in eine bestimmte Rolle gedrängt werden, was besonders für junge Nutzerinnen problematisch sein kann. Sie könnten versuchen, einem Idealbild nachzueifern, das nicht ihrem eigenen Wesen entspricht. Dabei zeigt der Trend Parallelen zu anderen Selbstoptimierungstrends wie dem Clean-Girl oder Vanilla-Girl-Trend, bei denen Frauen einem bestimmten Look bzw. Lebensstil nacheifern. Die Faszination für den Trend lässt sich, wie auch bei diesen Trends auf die Suche nach Identifikation und Vorbildern herunterbrechen. Aber auch auf Männer übt der Tradwife-Trend hohen Druck aus: Er suggeriert, dass ein einzelner Verdienst ausreichen sollte, um eine Familie zu ernähren, und dass allein der Mann in der Versorgerrolle agieren müsse. Diese Erwartung kann für Männer eine enorme Belastung darstellen. Auf der anderen Seite würde dies wiederrum zur finanziellen Abhängigkeit der Partnerin führen: Frauen, die sich der von Tradwives vorgelebten Rollenteilung anschließen, machen sich komplett finanziell abhängig von ihren Partnern. Was die Tradwife-Influencerinnen jedoch oft nicht zeigen: Anders als in den Videos suggeriert, gehen die Frauen sehr wohl einer Erwerbstätigkeit nach. Denn auch Influencerin zu sein ist ein zeitaufwendiger Job, mit dem große Summen an Einnahmen generiert werden können.

Hinzu kommt, dass unter dem Tradwife Trend ein sehr einseitiges Bild von Familienkonstellationen präsentiert wird. Alternative Familienkonstellationen wie Regenbogenfamilien, Patchworkfamilien oder alleinerziehende Elternteile haben dort keinen Platz. Diese einseitige Perspektive auf Familienleben kann dazu führen, dass andere Lebensweisen abgewertet oder abgelehnt werden.

Tipps und Hinweise

Die unter dem Tradwife-Trend gezeigten Inhalte können Kinder und Jugendlichen eine verzerrte Vorstellung von Beziehungen und Geschlechteridentitäten vermitteln. Eltern und pädagogische Fachkräfte sollten daher offen mit Kindern über den Trend sprechen und sie dazu ermutigen, gesehenes kritisch zu hinterfragen. Dabei kann es wichtig sein, Jugendlichen zu erklären, dass viele Social-Media-Inhalte inszeniert sind und Influencer*innen oft ein bestimmtes Image verkaufen.

Eltern und pädagogische Fachkräfte können den Trend darüber hinaus dazu nutzen, um über Geschlechterstereotype und alternative Lebensmodelle zu sprechen. Dafür kann es hilfreich sein, auf Social-Media-Kanäle hinzuweisen, die unterschiedliche Lebensentwürfe und Geschlechterrollen repräsentieren. Indem sie das Selbstbewusstsein von Kindern und Jugendlichen stärken und deren persönliche Stärken und Interessen fördern, können Eltern und Fachräfte dazu beitragen, dass sich Kinder nicht von starren Rollenvorstellungen beeinflussen lassen. Sie lernen so, eigene Werte unabhängig von Geschlechterstereotypen zu entwickeln und sind weniger anfällig für solche Trends.