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Ob eine unbedachte Äußerung oder eine gewollte Provokation – immer wieder sehen sich Personen, die in der Öffentlichkeit stehen, mit der so genannten „Cancel Culture“ konfrontiert. Doch was verbirgt sich eigentlich hinter diesem Begriff? webhelm hat sich die „Cancel Culture“ einmal genauer angesehen.

Was ist Cancel Culture?

Aus dem Englischen übersetzt bedeutet „to cancel“ so viel wie „auslöschen“, „auflösen“ oder „entwerten“. In Bezug auf gesellschaftliche Debatten etablierte sich der Begriff in den 2010er Jahren und wurde ursprünglich von People of Colour genutzt, um rassistisches Verhalten aufzudecken. Mittlerweile wird der Begriff vor allem von Personen genutzt, die sich starker Kritik aufgrund von meist sexistischen, rassistischen oder homophoben Äußerungen ausgesetzt sehen.

Der Aufruf, eine Person zu canceln, erfolgt in der Regel, nachdem sich diese in der Öffentlichkeit provokant und verletztend geäußert hat. Dem Aufruf zum Canceln geht meist ein sogenannter „Call-Out“ voraus: Hierbei wird die Person aufgrund ihrer Äußerungen stark kritisiert. Kommt es darüber hinaus zu Forderungen, der Person keine Bühne mehr zu bieten, sie also nicht mehr zu auftreten zu lassen, zu Talkshows einzuladen oder zu interviewen, wird zum canceln aufgerufen.

Ein bekanntes Beispiel für eine vom Aufruf für „Cancel Culture“ betroffene Person ist die Autorin J. K. Rowling, die sich vermehrt transphob geäußert hat. Kritiker*innen forderten daraufhin dazu auf, Rowlings Bücher nicht mehr zu kaufen und ihr keinen Platz in Interviews oder Fernsehshows zu geben.

Kritik an Cancel Culture

Betroffene, die mit einem Shitstorm oder auch dem Aufruf, gecancelt zu werden, konfrontiert werden, berichten oft davon, sich bedrängt und verunsichert zu fühlen. Häufig wird auf die freie Meinungsäußerung verwiesen und befürchtet, nichts mehr sagen zu dürfen, ohne sofort heftiger Kritik ausgesetzt zu sein. Doch auch nicht direkt betroffene Kritiker*innen bemängeln, dass die Cancel Culture dazu führt, Personen direkt mundtot zu machen, wodurch kein Raum für Debatten und Auseinandersetzungen mehr besteht. Außerdem besteht die Gefahr, dass Personen vorschnell, aufgrund von Gerüchten, gecancelt werden – auch wenn sich die Vorwürfe am Ende nicht bewahrheiten.

Gleichermaßen findet das Vorgehen des „Call-Out“ und „Cancelns“ aber auch Befürworter*innen. Vor allem marginalisierte Personen, die von den problematischen Äußerungen betroffen sind, können sich durch Social Media gut vernetzen und auf Missstände hinweisen. So kann es gelingen, andere für wichtige Themen zu sensibilisieren und vermeintlichen Nischenthemen eine breite Öffentlichkeit zu geben.

Folgen von Cancel Culture

Cancel Culture kann sowohl persönliche als auch berufliche Folgen für Betroffene haben. Wer Cancel Culture erlebt, sieht sich häufig sowohl differenzierter Kritik als auch Hass ausgesetzt. Teilweise kommt es auch zu Androhungen von Gewalt. Dies kann für Betroffene psychisch sehr belastend sein. Ebenso kann es zu beruflichen Einbußen kommen, wenn Personen in medialer Hinsicht tatsächlich gecancelt werden. Ein aktuelles Beispiel hierfür ist der Schlagersänger Michael Wendler, der nach antisemitischen Aussagen seinen Platz als Jurymitglied einer deutschen Castingshow verlor und dessen Auftritte abgesagt wurden.

Allerdings kann das vermeintliche Canceln einer Person auch dazu führen, dass diese wesentlich mehr mediale Aufmerksamkeit bekommt und davon profitiert. Vor allem in der deutschen Medienlandschaft lässt sich beobachten, dass vermeintlich gecancelte Personen nach wie vor auf Bühnen auftreten und in Talkshows zu sehen sind. Ein tatsächliches Canceln ihrer Person hat also nicht stattgefunden.

Tipps und Hinweise

Im Hinblick auf Kinder und Jugendliche ist es wichtig, diese zu einem respektvollen Umgang mit anderen – online wie offline – zu bestärken. Wenn sie mitbekommen, wenn andere geoutcalled werden, so ist es wichtig, nicht einfach mitzumachen, sondern die Vorwürfe zu überprüfen. Sollten sich diese als wahr herausstellen, kann differenzierte Kritik durchaus geäußert werden – wichtig ist aber, hierbei respektvoll zu bleiben und den Betroffenen auch die Chance zu geben, sich zu erklären oder bestenfalls zu entschuldigen.

Erstellt am 29.08.2022