Abnehmspritzen: Der umstrittene Social-Media-Hype
Auf TikTok und Co. kursieren immer mehr Videos zur Gewichtsreduktion mit der Abnehmspritze. „Ozempic” erlebt auf Social Media derzeit einen großen Hype und wird im Rahmen der SkinnyTok-Bewegung von vielen Content Creator*innen als Lifestyleprodukt beworben.
Mit der Rückkehr der frühen 2000er trenden auch damalige Schönheitsideale wieder. Zwar war das Schlankheitsideal nie wirklich verschwunden, doch während die späten 2010er sowie der Beginn der 2020er von Bodypositivity geprägt waren, rücken nun wieder für viele unrealistische und teilweise problematische Körperideale in den Vordergrund. Die Abnehmspritze spielt dabei diesmal eine große Rolle.
Was ist die Abnehmspritze?
Ozempic ist der Produktname der Abnehmspritze des Pharmaunternehmens Novo Nordisk und wird auf Social Media teilweise synonym für alle Abnehmspritzen genutzt. Ursprünglich wurden diese Medikamente zur Behandlung von Typ-2-Diabetes entwickelt, mittlerweile werden einige der Präparate jedoch auch zur Gewichtsreduktion bei starkem Übergewicht und Adipositas eingesetzt.
Die Behandlung mit der Abnehmspritze kann zu starkem Gewichtsverlust führen. Durch die Injektion wird Insulin ausgeschüttet und der Blutzuckerspiegel sinkt. Gleichzeitig bleibt die Nahrung für längere Zeit im Magen. Nutzende werden dadurch rascher satt und verspüren weniger schnell Hunger. Wie bei allen Medikamenten kann die Nutzung der Abnehmspritze jedoch mit starken Nebenwirkungen einhergehen, wie beispielsweise Magendarmprobleme, Schwindel und Kopfschmerzen sowie Haarausfall. Studienergebnisse zeigen zudem, dass die Gewichtsabnahme an die regelmäßige Behandlung geknüpft ist; wird die Spritze abgesetzt, wird ein Großteil des Gewichts wieder zugenommen.
Eigentlich ist das Medikament verschreibungspflichtig und kann nur vom Hausarzt, Diabetologen oder Endokrinologen verschrieben und nur unter ärztlicher Kontrolle verwendet werden. Allerdings gibt es Möglichkeiten diese Hürde zu umgehen, da für Online-Rezepte häufig das Ausfüllen eines Fragebogens genügt. Obwohl das Medikament für Selbstzahlende mit bis zu 500 Euro pro Monat einen hohen Kostenfaktor darstellt, wird der Zugang zu dem Medikament dadurch deutlich erleichtert.
Auf Social Media ist ein Hype rund um die Abnehmspritze entstanden, was äußerst kritisch zu sehen ist. Der Hashtag #SkinnyTok ist mittlerweile zwar gesperrt, trotzdem gibt es weiterhin viele Creator*innen, die in ihrem Content ein unrealistisches Schlankheitsideal glorifizieren und unter abgewandelten Hashtags Tipps geben, um möglichst schlank zu werden. Die Abnehmspritze wird in diesen Communities als Lifestyleprodukt beworben, mit dem es scheinbar mühelos ist, Gewicht zu verlieren. Unter #ozempic teilen viele ihre Vorher-Nachher-Videos und präsentieren ihre körperliche Veränderung. Gesundheitliche Aspekte werden dabei jedoch häufig außenvorgelassen. Auch einige Prominente, die sich vor wenigen Jahren noch für die Akzeptanz unterschiedlicher Körperformen stark gemacht haben, sind mittlerweile schlank und schwärmen von ihrer Transformation durch Ozempic.
Herausforderungen
Der Trend rund um die Abnehmspritze birgt insbesondere für junge Menschen Herausforderungen. Inhalte, die ein unrealistisches Schlankheitsideal idealisieren, können den Druck verstärken, diesem entsprechen zu müssen. Studien zu Körper- und Selbstbild von Jugendlichen zeigen, dass dadurch soziale Vergleichsprozesse gefördert werden, welche unter Umständen in Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper, erhöhte Selbstzweifel oder das Entstehen problematischer Essgewohnheiten resultieren. Verstärkt wird dieser Druck zudem, wenn ihre Idole diese Ideale ebenfalls vertreten. Wichtig ist dabei zu betonen, dass Jugendliche sich in einer sensiblen Phase der Identitäts- und Körperbildentwicklung befinden.
Tipps und Hinweise
Da online vermehrt Inhalte rund um die Abnehmspritze veröffentlicht werden, kommt Eltern und pädagogischen Fachkräften die wichtige Aufgabe zu, Jugendliche bei einem reflektierten Umgang mit solchem Content zu unterstützen. Heranwachsende sollten dafür sensibilisiert werden, dass es sich bei Ozempic und Co. um verschreibungspflichtige Medikamente handelt und nicht um Lifestyleprodukte.
Vor dem Hintergrund der anhaltenden Präsenz des Schlankheitsideals ist es von Bedeutung, Jugendliche dabei zu unterstützen, ein realistisches und gesundes Körperbild zu bewahren und die Entwicklung ungesunder Einstellungen zu verhindern. Sie sollten ermutigt werden, sich kritisch mit medial dargestellten Idealbildern auseinanderzusetzen und darin bestärkt werden, dass ihr Wert nicht von ihrem Aussehen oder Gewicht abhängt. Negative Kommentare oder Bewertungen bezüglich Körper, Gewicht oder Aussehen – über die Heranwachsenden, andere oder sich selbst – sollten dabei unbedingt vermieden werden, um Selbstzweifel nicht zu verstärken.
Schließlich ist es zudem wichtig, auf Anzeichen problematischer Essgewohnheiten zu achten, um frühzeitig das Gespräch zu suchen und gegebenenfalls professionelle Hilfe hinzuzuziehen. In Deutschland stehen dafür beispielsweise die „Nummer gegen Kummer” (116 111), die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) oder das Versorgungszentrum Essstörungen des AWO Bezirksverbands Oberbayern e.V. (ANAD) beratend zur Seite.