Dating-Tipps auf Social Media
TikTok, Instagram und Co. sind längst zu einem Ort geworden, an dem junge Menschen nach Orientierung zu den wichtigen Themen des Lebens suchen. So auch, wenn es um Liebe und Beziehungen geht. Content dieser Art erreicht in den sozialen Medien enorme Reichweiten – gerade bei der jungen Zielgruppe. Speziell für (angehende) Teenager*innen, denen Vorbilder im echten Leben fehlen und denen es schwerfällt, mit Freund*innen und Familie über diese Themen zu sprechen, können solche Inhalte Möglichkeiten sein, um Antworten auf ihre Fragen zu finden.
Hinweis: Die geschilderten Beobachtungen beziehen sich vornehmlich auf hetero-sexuelle Beziehungsmodelle, da diese die Grundlage für den überwiegenden Teil der populären Dating-Inhalte auf Social Media bilden.
Große Bandbereite an Content
Social-Media-Content, der sich mit den Themen Dating, Beziehung und Liebe beschäftigt, kann Jugendlichen dabei helfen, erste Vorstellungen und Wünsche, aber auch mögliche Grenzen auszuloten. Auch können von anderen User*innen oder Influencer*innen geteilte Erfahrungen den jungen Follower*innen ein Gefühl der Verbundenheit und des Verstandenwerdens geben. Es gibt einige Creator*innen, die nützliches Wissen zu den besagten Themen vermitteln, beispielsweise sogar einen psychologischen Hintergrund haben oder sich auf wissenschaftliche Erkenntnisse stützen. Ihr Content kann für junge Nutzer*innen sehr empowernd sein.
Bei vielen Creator*innen dreht sich der Content aber oftmals vor allem um Dating- oder Beziehungs-Situationen, welche diese selbst durchlebt haben. Sie erzählen von ihren Erfahrungen und den Schlüssen, die sie aus dem Erlebten ziehen. Aufgrund des hohen Interesses am Privatleben von Influencer*innen, ist es einerseits der Einblick, welcher die Follower*innenschaft begeistert. Gleichzeitig zielen die Inhalte darauf ab “relatable” (also nachempfindbar) zu sein und die Person für ihre Fans nahbarer zu machen. So wirken die Creator*innen vor allem auf jüngere Follower*innen vertrauenswürdig und schlüpfen in die Rolle großer Geschwister, die aufgrund ihrer Erfahrung über mehr Wissen zu diesen Themen verfügen. Besonders auffällig ist dies bei Inhalten von Creatorinnen, deren Zielgruppe primär Mädchen und junge Frauen sind. Die Erfahrungsberichte werden oft mit Ratschlägen verbunden, wie sich die Followerinnen in ähnlichen Situationen verhalten können.
Im Zentrum der an Jungen und junge Männer gerichteten Beiträge stehen vermehrt konkrete Tipps zum erfolgreichen Dating. Solcher Content weist oft einen recht starken Coaching-Charakter auf – einige der Creator*innen bezeichnen sich sogar selbst als “Coaches”. Häufig versprechen sie, dass das Befolgen ihrer Ratschläge sicher zum gewünschten Erfolg führt. Der Großteil solcher Inhalte wird von männlichen Creatorn veröffentlicht, es treten aber auch einige weibliche Influencerinnen als “Dating-Coaches” speziell für Männer auf. Die oft attraktiven Creatorinnen liefern Tipps aus der “weiblichen Perspektive”, von denen sich die männlichen Follower möglicherweise noch größeren Erfolg versprechen.
Herausforderungen
Viele Jugendliche verbinden mit den Themen Liebe, Beziehung und Dating Unsicherheiten. Auf der Suche nach Orientierung können sie auf TikTok, Instagram und Co auf Content stoßen, der sehr einseitige Darstellungen enthält. So sind beispielsweise Inhalte, in denen Creator*innen von ihren Erfahrungen erzählen, teils unausgewogen, da meist nur die Person selbst zu Wort kommt, nicht aber die Gegenseite. Darüber hinaus werden die Erkenntnisse, welche die Influencer*innen aus diesen Geschichten ableiten, den Fans oft als Wahrheiten oder allgemeingültige Regeln, stark emotionalisiert präsentiert. Sie nutzen zum Beispiel Formulierungen wie: “Wenn er dich mag, wird er (…)” oder “Du wirst ihr Herz erobern, wenn du (…)”. Die Influencer*innen verfügen jedoch nur in den seltensten Fällen über eine adäquate Ausbildung in entsprechenden Feldern oder beziehen sich auf wissenschaftlich fundierte Quellen. Vielmehr versuchen sie ihrer Follower*innenschaft den Eindruck zu vermitteln, dass sie die Antworten auf ihre Fragen haben. Dies zielt vor allem darauf ab hohe Reichweiten zu generieren und die Follower*innen, welche auf mehr Tipps und Einblicke hoffen, an den eigenen Kanal zu binden. Problematisch ist jedoch, dass einige der Creator*innen in ihren Aussagen und ihrem Verhalten Stereotype reproduzieren und starre Rollenbilder vermitteln. Der Frau wird in solchen Inhalten sowohl von weiblichen als auch von männlichen Creator*innen tendenziell eine sehnsüchtige Rolle zugeschrieben. Sie wartet eher auf den Mann, stellt aber auch hohe Ansprüche an ihn. Der Mann nimmt einen aktiveren Part ein. Er muss die Frau durch ein aufwändiges, vorgeplantes Vorgehen für sich gewinnen und dabei eher berechnend agieren. Solche Rollenbilder können nicht nur dazu führen, dass die Jugendlichen stark verunsichert werden und unrealistische Vorstellungen von Dating entwickeln. Besonders bei Jugendlichen , die in ihrem Umfeld mit ähnlichen Rollenverständnissen konfrontiert sind und denen Bezugspersonen fehlen, die ein anderes Bild vorleben, können sich so bestimmte Vorstellungen erhärten. Der Content lenkt gleichzeitig den Blick auf Oberflächlichkeiten, indem eher die Attribute des Partners sowie dessen “Nutzen” in den Vordergrund gestellt werden, anstelle eines aufrichtigen Kennenlernens der Person. Weiterhin können Inhalte dieser Art polarisieren, da häufig negativ über die jeweils andere Seite gesprochen wird oder sehr hohe Erwartungen formuliert werden. Dies kann dazu führen, dass die Jugendlichen eine beidseitige Abwehrhaltung entwickeln und sich die Gruppen sogar feindlich gegenüberstehen.
Tipps und Hinweise
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Bedürfnis nach Orientierung und der Wunsch, sich verstanden zu fühlen, die Inhalte zu Liebe, Dating und Beziehungen für viele Jugendliche so interessant machen dürften. Außerdem sind die Einblicke in die Privatleben der Influencer*innen aufregend und die Ratschläge von den erfolgreich und erfahren wirkenden Vorbildern möglicherweise die Hoffnung, um eigene Unsicherheiten zu überwinden. Pädagogische Fachkräfte und Eltern sollten die Anliegen der Jugendlichen ernst nehmen, um ihnen in Gesprächen auf Augenhöhe begegnen zu können. Gleichzeitig sollten die Jugendlichen für die Mechanismen, die hinter solchem Content stecken – wie zum Beispiel die starke Emotionalisierung zur Gewinnung von Reichweite – sensibilisiert werden. Gemeinsam sollte über die porträtierten Rollenbilder und deren mögliche Auswirkungen reflektiert werden. Gleichzeitig kann es helfen den Jugendlichen zu vermitteln, dass die Partner*innensuche individuell stets unterschiedlich abläuft und hier nur sehr selten allgemeingültige Regeln greifen. Grundsätzlich sollte es das Ziel sein die Jugendlichen darin zu bestärken den Content, den sie zu diesen Themen konsumieren, aktiv und eigenverantwortlich auszuwählen sowie ihnen Tipps an die Hand zu geben, um potenziell problematische Inhalte zu erkennen.