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„Deine Lippen sind zu schmal“, „Deine Nase ist zu groß für dein Gesicht“ oder „Deine Haare wirken sehr kaputt und strohig“. Kommentare, die von den meisten Nutzer*innen als unhöflich oder verletzend wahrgenommen werden, sind bei der sogenannten „Beauty Blindness-Challenge“ regelrecht erwünscht. Welchen Einfluss die Challenge vor allem auf jüngere Nutzer*innen haben kann, soll im folgenden Artikel beleuchtet werden.

Was ist der „Beauty Blindness“-Trend auf TikTok?

Bei der „Beauty Blindness“-Challenge fordern die Creator*innen dazu auf, ein ehrliches Feedback zu ihrem Aussehen zu erhalten. Der Aufruf, der sich vor allem an fremde Personen richtet, soll vermeintliche Makel aufdecken, die den Nutzer*innen selbst noch nicht aufgefallen sind. Dabei impliziert der Begriff „blindness“, dass die Nutzer*innen selbst „blind“ für offensichtliche Makel seien – doch Makel im Kontext von Schönheit sind keine objektiv feststellbaren Defizite, sondern Ausdruck sozialer Normsetzungen. Auffällig dabei ist allerdings: Es sind überwiegend junge, weibliche Nutzerinnen, die eine Reaktion auf ihr Aussehen erhalten möchten. Entwickelt hat sich der Trend aus der „Eyebrow Blindness“-Challenge, die sich vor allem auf Augenbrauen bezog. Bei dieser Challenge wurde sich gemeinsam über „Fehltritte” in der Vergangenheit, wie extrem dünn gezupfte Augenbrauen, lustig gemacht. Die aktuelle Form des Trends geht jedoch deutlich weiter darüber hinaus und bezieht sich auf das gesamte äußere Erscheinungsbild.

Herausforderungen

Unter den Beiträgen lassen sich entsprechend viele negative Kommentare und Kritik finden, die potenziell verletzend wirken können. Denn durch den Trend wird der Fokus auf individuelle Unsicherheiten gesetzt. Zudem entstehen möglicherweise neue Unsicherheiten, die von den Ersteller*innen der Videos  zuvor nicht als solche wahrgenommen wurden. Nicht nur auf die Ersteller*innen selbst kann das einen negativen Einfluss haben. Denn auch  andere Nutzer*innen, die solche Kommentare lesen, könnten verunsichert werden, wenn plötzlich alltägliche, natürliche Merkmale als Makel dargestellt werden. Problematisch ist insbesondere, dass die Teilnahme an der Challenge häufig von Personen dominiert wird, die ohnehin klassischen Schönheitsidealen entsprechen. Dadurch wird ein verzerrtes Bild gesellschaftlicher Normalität sowie ästhetischer Normen reproduziert.

Warum nehmen Nutzer*innen dennoch an der Challenge teil?

Warum Nutzer*innen gezielt nach kritischen Bewertungen ihres Aussehens suchen, kann bislang nur vermutet werden. Zum einen könnte Neugierde eine Rolle spielen, wie das eigene Aussehen von fremden Menschen wahrgenommen wird. Möglicherweise steckt allerdings auch der tatsächliche Wunsch nach „Verbesserung“ hinter der „Beauty Blindness“-Challenge. Die Ersteller*innen der Videos scheinen bereits selbst durch vorherrschende Schönheitsideale darauf gepolt zu sein, nach Defiziten am eigenen Aussehen zu suchen und dieses zu optimieren.

Tipps und Hinweise

Auch wenn hinter dem Aufruf der Teilnehmenden der Beauty Blindness-Challenge keine böse Absicht steckt, kann die Fokussierung auf vermeintliche Makel einen enormen Druck auf Kinder und Jugendliche ausüben. Denn der Anspruch einem gewissen Ideal entsprechen zu müssen, fördert ein negatives Selbstbild, was langfristig eine hohe psychische Belastung darstellen kann.

Eltern und pädagogische Fachkräfte können Jugendliche darin bestärken, den Fokus weniger auf vermeintliche körperliche Makel zu richten. Stattdessen sollten die Aufmerksamkeit verstärkt auf individuelle Stärken und positive Persönlichkeitsmerkmale gelenkt werden, um einer einseitigen Orientierung am äußeren Erscheinungsbild entgegenzuwirken.

Sollten Jugendliche über einen längeren Zeitraum Anzeichen von Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper zeigen und sich sozial zurückziehen, ist es für Eltern ratsam, professionelle Unterstützung in Form von Beratungsangeboten oder Psychotherapie in Erwägung zu ziehen.